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Gene gibt es nicht. Das Gen ist nichts anderes als ein wissenschaftliches Denkmodell. Mit der zunehmenden Freisetzung genetischer Begrifflichkeiten in den Alltag gewinnt das Gen jedoch mehr und mehr an Realität. Das Gen wird populär, es wird zum “Alltags-Gen” (siehe Barbara Duden) und dadurch mächtig. Gene sollen den Menschen erklären, von der Haarfarbe über sein Aggressionspotential bis hin zur Todesursache. Und letztlich schafft die anhaltende Beschwörung genetischer Erklärungsmuster neue Wirklichkeiten und Perspektiven und aktualisiert alte, mit den dazugehörigen Ängsten und Hoffnungen. Da ist der Traum vom ewigen Leben, die Sorge Krankheiten zu (ver)erben, das Versprechen von Sicherheit durch Gen-Dateien oder die Gewissheit biologischer Vaterschaft mittels Gentests.

Das Gen ist ein halluziNoGen, das wirkt.

Denken und Handeln, soziale und gesellschaftliche Verhältnisse werden zunehmend in biologische Erklärungsmodelle gefasst. Menschen verstehen sich mehr und mehr als mangelhafte Verkörperung eines genetischen Programms mit der Pflicht, diese Mängel durch entsprechendes Verhalten auszugleichen und sich selbst zu optimieren. In einem Wechselspiel wissenschaftlich-politischer Interessen entfaltet sich eine genetische Rationalität, die ein ganz eigenes gesellschaftliches Projekt formt. Unter diesen Bedingungen verschwinden Freiräume, die Gesellschaft jenseits genetischer Paradigmen zu sehen. Soziale Alternativen und politische Verantwortlichkeiten werden ausgeblendet. Stattdessen werden gesellschaftliche Ungleichheiten und Hierarchien festgeschrieben.

Wie weitgehend dieser genetische Diskurs bereits den Alltag erobert hat und mit welche Dynamik er seine Wirklichkeiten schafft, wird deutlich an der Vielzahl der öffentlichen Felder, in denen er sichtbar wird.

Medizinische Gendatenbanken/ Gesundheitsvorsorge

Genetischer Fingerabdruck/ Speicheltest

Pränataldiagnostik (PND)/ Wunschkinder / In-Vitro-Fertilisation (IVF)

ArbeitnehmerInnenscreening/ Versicherungen / Gencheck

Vaterschaftstests

Gen-Patente/ Biopiraterie

Gen-Food/ Freilandversuche

Bevölkerungspolitik/ Hunger- & Seuchenbekämpfung/ genmanipuliertes Saatgut

Popkultur/ Kunst/ Werbung

Körperkult

Zukunftstechnologie/ Arbeitsplätze/ Bio-Region

Bioethik

In all diesen Bereichen gilt es, dem Gendiskurs entgegenzuwirken. Dem Bild des Menschen als Verkörperung eines genetischen Programms, als “Sklave seiner Gene”, gilt es ein Menschenbild entgegenzusetzen, das den freien Willen des Menschen betont und die bestehenden Herrschaftsverhältnisse als soziale Verhältnisse begreift, die daher auch überwunden werden können hin zu einer herrschaftsfreien Gesellschaft.

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update: 15 April, 2007